Prof. Dr. Tobias Esch – Arzt, Neurowissenschaftler, Glücksforscher und Röntgen-Vorleser beim RÖKO WIESBADEN 2025 – zeigt, warum Glück kein Zufall ist.
Neue Arbeit in der Radiologie ist einer der Schwerpunkte des 106. Deutschen Röntgenkongresses. Denn unsere Anforderungen an unsere Arbeit verändern sich, Themen wie Work-Life-Balance gewinnen an Bedeutung. In diesem Kontext lohnt ein Blick nach innen: Was macht mein Leben sinnvoll? Wofür stehe ich morgens auf? Und wie kann ich im Tagesgeschehen zwischen Verantwortung und Zeitdruck gesünder, zufriedener und vielleicht sogar glücklicher sein? Prof. Dr. Tobias Esch, Arzt, Neurowissenschaftler, Glücksforscher und Röntgen-Vorleser beim RÖKO WIESBADEN 2025, zeigt in seinem Vortrag, warum Glück kein Zufall ist, sondern eine Frage von Haltung, Verbindung und täglicher Übung.
Herr Professor Esch, wie definieren Sie Glück aus Sicht der Forschung?
Glück ist zunächst ein Gefühl – ein rohes Erleben, das unabhängig vom Denken im Belohnungssystem des Gehirns entsteht. Es basiert auf neurobiologischen Prozessen und ist damit mehr als nur Einbildung: eine harte Währung. Glück bedeutet, dass sich etwas lohnenswert anfühlt – oft in kleinen Momenten des Alltags. Wir unterscheiden drei Formen des Glücks: das jugendliche, oft sprunghafte Glück der Vorfreude, das Glück der Erleichterung in den zumeist kurzen stressfreien Phasen des mittleren Lebens und das tendenziell anhaltende, tiefe Glück der Zufriedenheit im Alter – geprägt von Dankbarkeit und Verbundenheit.
Wie kamen Sie dazu, sich intensiv mit dem Thema Glück auseinanderzusetzen?
Ich habe beobachtet – und unsere Daten bestätigen es –, dass Menschen selbst unter schwierigen Umständen glücklich sein können: im Alter, bei Krankheit oder in belastenden Lebensphasen. Das wirft die spannende Frage auf: Wie hängen Glück und Gesundheit zusammen? Und was können Menschen, die mit ihrem Leben oder ihrer Gesundheit hadern, von denen lernen, die trotz allem zufrieden sind?
Welche Verbindung besteht zwischen Gesundheit und Glück? Wie können Menschen ihre Gesundheit fördern, um glücklicher zu sein?
Gesundheit ist wichtig, aber nicht alles – denn auch kranke Menschen können glücklich sein. Dieses sogenannte Zufriedenheitsparadoxon zeigt: Selbst unter schwierigen Bedingungen empfinden viele Zufriedenheit. Mit dem Alter nimmt der Einfluss von Gesundheit auf das Glück ab – die Zufriedenheit emanzipiert sich davon. Umgekehrt gilt jedoch: Glückliche Menschen leben oft länger und besser.
Inwiefern ist das Glücklichsein essenziell für unsere Gesundheit?
Die Vorstellung, dass ohne Gesundheit kein Glück möglich ist, stimmt so nicht, wie gehört. Gerade ältere Menschen zeigen, dass trotz chronischer Krankheiten Zufriedenheit und Dankbarkeit möglich sind. Dann jedoch gilt: Zufriedene und optimistische Menschen führen nicht nur ein gesünderes, sondern oft auch ein längeres Leben.
Warum tun sich manche Menschen leicht und andere schwer, ihr Glück zu finden bzw. ein zufriedenes Leben zu führen?
Glück hat zum Teil biologische Grundlagen – unsere „Hardware“ beeinflusst, wie wir Glück empfinden. Doch viel entscheidender ist, wie wir mit unseren Erfahrungen umgehen. Glück ist lernbar. Umfeld und Herkunft spielen eine Rolle, aber wichtiger ist, was wir daraus machen. Selbst mit begrenzten Mitteln lässt sich etwas beispielsweise Schönes schaffen – es kommt darauf an, wie wir unser persönliches „Instrument“ spielen.
Glücklichsein auch in persönlichen Krisenzeiten – geht das?
Grundsätzlich schon, denn Glück ist, so seltsam das vielleicht klingen mag, in großen Teilen auch eine Entscheidung. Viktor Frankl, der berühmte Wiener Nervenarzt, sagte schon vor über 80 Jahren: Der Mensch strebt nach Sinn – muss sich aber aktiv dafür entscheiden. Krisen sollen nicht schöngeredet werden, doch sie können Wachstum auslösen. Menschen wachsen oft an Herausforderungen und verwandeln Tragödien in persönliche Triumphe – und genau das kann tiefes Glück oder eben Zufriedenheit entstehen lassen.
Kann man glücklich sein trainieren? Wenn ja, wie?
Unsere Lebenszufriedenheit ist trainierbar – etwa durch Bewegung, Schlaf, gesunde Ernährung, Achtsamkeit und Genuss. Am stärksten wirkt jedoch Verbundenheit – mit anderen Menschen, mit der Welt oder etwas Größerem. Wer weiß, wofür er morgens aufsteht, erfährt Sinn. Zwei Fragen helfen dabei: „Wofür stehe ich auf?“ und „Warum gerade hier?“ – sie führen zu tieferem Heimatgefühl, Resonanz und innerer Erfüllung. Diese Sinnquellen bewusst zu stärken, ist der Schlüssel zu mehr Zufriedenheit.
Sind Sie als Glücksforscher glücklicher als andere? Haben Sie die Glücksformel geknackt?
Ich lebe nach dem Motto: Walk your talk. Als Arzt und Wissenschaftler kann ich nicht empfehlen, was ich selbst nicht lebe. Glück ist für mich ein täglicher Prozess – auch ich stehe mitten im Leben, wo Glück nicht immer präsent ist. Aber ich arbeite täglich daran, denn Glück erfordert Einsatz. Und wer mich kennt, sieht das auch.
Wenn Sie drei einfache Tipps an die Hand geben müssten für mehr Glück im Alltag, welche wären das?
Leben, lieben, lachen: Dinge ganz oder gar nicht tun. Geben können, auch loslassen können. Dankbar sein – eine Aufgabe haben, dabei authentisch sein, und das Leben sowie die Menschen liebhaben.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Esch!
Zur Person Univ.-Prof. Dr. med. Tobias Esch ist ein bekannter Arzt, Neurowissenschaftler und Gesundheitswissenschaftler. Seit Februar 2016 leitet er als Professor das Institut für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/Herdecke. |
Erleben Sie Prof. Tobias Esch live bei der Röntgen-Vorlesung auf dem RÖKO WIESBADEN: ' |